Mut zur Verbundenheit mit Dir selbst und anderen
Mut zur Verbundenheit mit Dir selbst und anderen

Mut zur Verbundenheit mit Dir selbst und anderen

Ein starkes Rückgrat und ein sanftes Auftreten – Mut, aber auch Verletztlichkeit zulassen. Dort wo unser Herz uns hinführt, sind wir zu Hause, in der Wildnis, die uns aufgrund ihrer Intensität zuweilen erschrecken lässt. Sobald wir erkennen, dass diese Wildnis in uns liegt, dass sie ein Teil von uns ist und wir in ihr Zuhause sind, werden wir zu dem Menschen, der wir sind. Statt sich zu panzern, statt aggressiv auf Angriffe und Bullshit zu reagieren, gelte es Grenzen zu ziehen, aber in Verbindung mit unseren Mitmenschen zu bleiben. Es sei schwer jemand von Angesicht zu Angesicht zu hassen, ungleich einfacher in der gesichtlosen Anonymität sozialer Medien seinen Gefühlen ungezügelt Lauf zu lassen. Sobald wir erkennen, dass wir Menschen miteinander in Verbindung stehen, dass es einen Geist gibt, der uns alle durchdringt und umgibt, können wir ein besseres Leben leben und nicht weniger als unsere Welt verändern. Das ist verdammt schwer, ein harter, von Rückschlägen und Herausforderungen gesäumter Weg. Allerdings ließe sich mit Mahatma Gandhi sagen: Wer den Weg der Wahrheit geht, der stolpert nicht.

Brené Brown hat ein bewegendes Buch geschrieben. Es ist mein erstes, das ich von ihr gelesen habe. Inspiriert wurde ich durch ein Follower-Angebot auf Linkedin. Eigentlich ist Braving the Wilderness ein Buch einer Frau für Frauen, zumindest in der Sprache und Gefühlsintensität oder Art und Weise, Gefühle und persönliche Lebens- und Leidenswege einzubringen.

Allerdings ist Schubladendenken selten ein guter Ratgeber, wenn man das Wesen der Dinge betrachten möchte. Braving the Wilderness ist nach meinem Eindruck indes das Buch einer verwundeten, tapferen Frau, die durch ihre Forschung und Beschäftigung mit sich selbst, durch ihr beispielgebendes Leben im Alltag und die Annahme von Herausforderungen zu einem beispielgebenden Menschen geworden ist. Als ein besonderer Mensch entzieht sie sich herkömmlichen Kategorien und das Buch auch. Es ist eine Mischung aus persönlichen Schilderungen, sozialwissenschaftlichen Forschungen, die allerdings kaum je erläutert werden, Literaturstudien und Einsichten in das, was kluge Menschen zu sagen haben. Mit bietet das Buch zahllose Querverbindungen zu Themen, die mich auf meinem Lebensweg interessiert haben und mit denen ich mich in vermeintlich so unterschiedlichen Gebieten wie Freiheit und Führung, Persönlichkeitsbildung und Spiritualität beschäftigt habe.

Es geht um Aufrichtigkeit und Gemeinsamkeit, die auf Verwundbarkeit und den inneren Gang in die emotionale Wildnis beruhen, auf ein Sicheinlassen auf herausfordernde menschliche Emotionen, ohne sich von ihnen dauerhaft mitreißen zu lassen. Es geht um Einsicht und darum, Informationen zu erlangen, aber auch Emtionen mit anderen Menschen zu teilen und in Gruppen zu erleben. Letztlich  geht es Brené Brown nach meinem Verständnis darum, das mutige Beherrschen der emotionalen Wildnis zur Grundlage eines wahren, der eigenen Persönlichkeit entsprechenden Lebensweise zu machen. Als homo socialis leben wir ein wahrhaftiges Leben, wenn wir uns und andere in herausfordernden Situationen wirklich verstehen. Erst dann können wir angemessen handeln. So entsteht eine bessere Gemeinschaft und eine lebenswertere Gesellschaft.

Das Buch beginnt mit der Erkenntnis: Wir gehören zu aller erst uns. Wir selbst sind als Menschen unsere eigene Heimat. Anerkennung durch andere, Aufgehobensein durch Mitgliedschaft in anderen Gruppen, das sind zutiefst menschliche Triebe, aber kein Ersatz für unser authentisches, wahres Selbst, dafür Konfliktstoff – mit uns selbst und mit anderen.

Das grandiose Buch kann als Inspiration dienen für die persönliche Entwicklung, für Führung im Alltag und als Impuls für eine bessere, freiere Gesellschaft. Konflikte verschwinden nicht, können aber besser gelöst werden. Eine große Herausforderung, nicht nur für uns normale Bürger, sondern vor allem für die sogenannten Eliten: nämlich, an sich selbst glauben, sich selbst gehören, und das so intensiv, dass man die authentischste Version von sich selbst mit der Welt teilt. Es geht um nicht weniger als der zu werden und der sein, der man ist. Ein unideologisches Freiheitsbuch. Großartig.
Michael von Prollius

Literatur: Brené Brown: Braving the Wilderness. The Quest for True Belonging and the Courage to Stand Alone, Random House, New York 2017, 197 S., 11,99 Euro.