Liberalismus und Sicherheit – eine Herausforderung
Liberalismus und Sicherheit – eine Herausforderung

Liberalismus und Sicherheit – eine Herausforderung

(mvp) Wir leben in einer unruhigen Zeit. Das gilt gerade für die Sicherheitslage. Dem aktuellen Amoklauf in München gingen Aufsehen erregende Gewalttaten in Deutschland und Europa voraus. Zudem werden Bürgerkriege an der Südflanke Europas ausgetragen und autoritäre Herrscher gehen gewaltsam gegen Andersdenkende vor, in klassischen Feriendestinationen wie Ägypten und der Türkei. Der Krieg gegen den Terror geht seit 2001 mit einer weltweiten Ausbreitung terroristischer Aktivitäten einher. Globalisierung und Medialisierung tragen dazu bei, dass das Gefühl öffentlicher Sicherheit leidet. Denn die Kriminalstatistik zeigt in Deutschland für Tötungsdelikte eine stark rückläufige Tendenz seit den 1970er Jahren; das gilt bemerkenswerterweise auch für Sexualstraftaten gegen Kinder. Die Zahl der Terrortoten ist in Europa seitdem ebenfalls stark rückläufig.
Sicherheit ist indes mehr als Statistik. Und die Vergangenheit mag Prolog sein, aber die Zukunft bleibt ungewiss. Zur Sicherheit im öffentlichen und privaten Raum gehört auch das Gefühl, sich frei, nicht zuletzt frei von gewalttätigen Bedrohungen bewegen zu können. Was können Liberale, was kann der Liberalismus dazu beitragen?
Der Liberalismus ist zunächst eine Weltanschauung in deren Mittelpunkt die Freiheit, eine offene Gesellschaft und der unbehinderte Austausch von Menschen stehen. Mit Friedrich August von Hayek befasst sich der Liberalismus mit den Aufgaben des Staates und vor allem mit der Beschränkung seiner Macht. Ludwig von Mises konstatierte, dass die Aufgabe des Staates nur darin bestehe, Betrug und Gewalt zu verhindern. Dementsprechend soll die Staatsgewalt nur eingesetzt werden, um „die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit, der Freiheit und des Sondereigentums gegen gewaltsame Angriffe zu gewährleisten.“
Naturgemäß bietet der Liberalismus nur generelle Prinzipien für die praktische Politik – und Mustervorhersagen. Der Liberalismus ist politisch, bietet aber kein tagespolitisches Programm. Die Herrschaft des Rechts, das der Staat durchsetzt, gehört dazu. Dementsprechend mager fällt, soweit erkennbar, die Auseinandersetzung der Liberalen mit dem Thema aus. Beim Cato Institut gibt es etwa die Rubrik Social Security, während National Security lediglich neben Foreign Policy firmiert. Robert Higgs hat die Entwicklung vom Warfare State zum Welfare State kritisiert, aber keine namhafte Publikation zur inneren Sicherheit verfasst. Eine Auseinandersetzung mit außen- und sicherheitspolitischen Themen findet in liberalen Kreisen immerhin statt, auch in Deutschland. Ist innere Sicherheit indes eine Leerstelle der Liberalen? Anarchokapitalisten formulieren eine einfache Antwort: Privatisiert die Gewalt! Befürworter einer Bürgerbewaffnung setzen sich für eine ebenso simple „Lösung“ ein. Richtig ist es, Pinkers verfehlte Gewaltgeschichte zu kritisieren; dazu später mehr.
Sowohl die Prinzipien einer Sicherheit in Freiheit als auch praktische Überlegungen für mehr öffentliche Sicherheit stellen eine Herausforderung für Liberale dar. Die Zeit ist reif für eine gesellschaftliche Debatte mit kräftigen liberalen Stimmen zur öffentlichen sowie privaten Sicherheit und der Polizeipräsenz, vielleicht auch noch mehr privaten Sicherheitsunternehmen, Terrorismus in Verbindung mit Sicherheits-, Außen- und Innenpolitik, ferner Prävention und Professionalität von Einsatzkräften, aber auch Zivilcourage. Recht und Gesetz stehen nicht nur bei Fragen der Überwachung im Zentrum. Viele dieser Themen werden bekanntlich längst diskutiert. Liberale Ansätze könnten das Entdeckungsverfahren des Wettbewerbs thematisieren, die Konzentration staatlicher Tätigkeit und damit staatlicher Ausgaben auf den Bereich Sicherheit fordern und das Mittel zeitlich befristeter Kompetenzen (Sunset clauses/ Auslaufklauseln) in die Debatte einführen. Auch das Thema Sicherheit führt zum Minimalstaat, der sich auf den Schutz von Leib, Leben und Eigentum konzentriert.