Fakten statt Gender-Hokuspokus
Fakten statt Gender-Hokuspokus

Fakten statt Gender-Hokuspokus

In der westlichen Welt ist es üblich geworden, Frauen zu fördern und zu bevorzugen. Grundlage ist folgendes Narrativ: Angeblich hätte die kontinuierliche Unterdrückung der Frauen durch Männer dazu geführt, dass viel weniger und viel zu wenige Frauen in Führungspositionen säßen und Frauen weniger verdienen würden als Männer. Dieser gemeinen, ungerechten Männerwelt müsse daher mit Quoten, Vorschriften, BeauftragtInnen und einer systematischen Frauenbevorzugung zu Leibe gerückt werden.

Was sagt die Wissenschaft? Was sagen die empirischen Fakten? Erste Wahl ist die ausgewogene, akademisch redliche und gelehrte Studie des renommierten Psychologieprofessors Roy F. Baumeister: Is there anything good about men?.

Baumeister hinterfragt nicht nur alle gängigen Annahmen über das Verhältnis von Frauen und Männern, ihre Unterschiede und ihre individuelle wie gesellschaftliche „Performance“. Der an der Florida State University lehrende Wissenschaftler lässt seine jahrzehntelange Forschungserfahrung vielmehr in einem Plädoyer münden: Versöhnung statt Kampf der Geschlechter. Frauen und Männer brauchen einander. Frauen und Männer ergänzen sich. In dieser Perspektive könnten wir zudem unsere Kultur besser verstehen.
Dementsprechend untersucht das Buch das Verhältnis und die Interaktion von Männern, Frauen und Kultur.

Unterschiede

Eine wichtige, weithin vernachlässigte Frage lautet: Worin unterscheiden sich Männer und Frauen in dem, was sie mögen?

Bedeutsam ist die Erkenntnis, die Stärken des jeweiligen Geschlechts gingen mit Schwächen (tradeoffs) einher, man könnte auch von Opportunitätskosten sprechen. Männer können Krieg führen, aber keine Kinder kriegen. Bei Frauen verhält es sich umgekehrt. Die Spezialisierung ergibt Sinn, beides zugleich geht nicht – Omaha Beach am 6. Juni 1944 mit Babys auf dem Rücken. Die Bedeutung der Spezialisierung reicht für den Sozialpsychologen indes viel weiter. Männer sind gut darin, große Kontaktnetzwerke aufzubauen. Frauen sind gut im Aufbau und der Pflege intensiver Beziehungen. Infolgedessen haben – das ist seine weitreichende und absehbar Entrüstung erregende Aussage – Männer unsere maßgeblichen kulturellen Institutionen geschaffen: von Märkten und Unternehmen bis zu Universitäten und Krankenhäusern, aber auch Erfindungen und Produktion von Autos, Elektrizität, Computer, Toiletten geleistet.

Baumeister kommt zu dem Ergebnis, es gebe praktisch keine großen sozialen Systeme, die von Frauen geschaffen wurden. Während Männer kaum oder gar nicht in Frauenorganisationen aufgenommen werden möchten, sei das andersherum regelmäßig der Fall.

Diese Leistung mache Männer indes keineswegs zu besseren Menschen als Frauen. Vielmehr sei damit eine große Bürde verbunden: Männer würden viel stärker als Frauen ausgebeutet – Männer leben kürzer, sterben häufiger durch Unfälle und im Krieg, werden härter bestraft und öfter verurteilt, sogar für gleiche Straftaten. Männer hätten stets schlechtere Jobs ausgeübt und weniger gewünschten Sex als Frauen. Die Ursache für dieses Doppelphänomen liegt für den amerikanischen Wissenschaftler darin begründet, dass Männer gut darin sind, Risiken einzugehen. Für diese Neigung und Fähigkeit würden sie benutzt und entsprechend höher bezahlt, hätten aber entsprechend zu leiden.

Ursachenforschung

Wie kommt der für seine Forschungen vielfach ausgezeichnete Roy F. Baumeister zu diesen Einschätzungen?

    1. Intelligenz respektive das Vermögen, etwas zu tun (ability), ist zwischen Männern und Frauen im Durchschnitt ungefähr gleich verteilt. Allerdings sind die Extreme bei Männern deutlich ausgeprägter. Es gibt mehr sehr intelligente Männer als Frauen und viel mehr dümmere Männer als Frauen.
    2. Männer und Frauen unterscheiden sich grundsätzlich in ihrem Antrieb, in ihren Vorlieben (motivation). Männer mögen beispielsweise Mathe, Sex und Karriere mehr als Frauen. Es gibt viel mehr männliche Workaholics. MINT-Fächer kommen bei Frauen einfach mangels Interesse nicht an.
    3. Die Natur drängt Männer dazu, höhere Risiken einzugehen. Fast alle Frauen reproduzieren sich – bei den Männern ist das ein vergleichsweise geringer Teil. Daher lohnt sich die Risiko-Strategie für Männer, aber nicht für Frauen. Damit verbunden ist ein innerer Drang in Männern, kreativ zu sein und Dinge auszuprobieren, zu riskieren, während Frauen eher zu Stabilität neigen. Männer sind dementsprechend ambitionierter.
    4. Männer sind sozialer als Frauen. Das gilt insofern als sie mehr soziale Kontakte haben (große Gruppen). Zugleich haben Frauen mehr 1:1-Kontakte. Die Ausrichtung auf große oder aber kleine Gruppen hat bedeutende Folgen und geht mit entsprechendem Verhalten einher. Interessanterweise sind Frauen nicht weniger gewalttätig als Männer, Männer sind das nur sichtbarer in der Öffentlichkeit.
    5. Kultur entsteht aus männlichen Gruppen. Die Systeme des Alltags, des Handels und der Spezialisierung sind Systeme großer Gruppen. Männer bringen diese Großgruppen hervor.
      Eine interessante Randbemerkung: Baumeister ist nicht überrascht über die Dominanz der westlichen Kultur, aufgrund ihrer Fähigkeit zur Innovation und der Kampfkraft ihrer Gesellschaften.
    1. Die Entwicklung der Kultur hat sich in Bezug auf das Verhältnis von Männern und Frauen in drei großen Schritten entwickelt: Das Zeitalter der Jäger und Sammler ging mit Geschlechtergleichheit einher. Beide trugen in gleichem Maße zur Kalorienversorgung bei. Die neolithische Revolution ging mit der Besserstellung der Männer einher, die sich durch ihre Spezialisierung und als Eigentümer von Grund und Boden sowie von Tieren als überlegen erwiesen. Seit der Aufklärung gibt es einen Prozess zur Gleichstellung von Frauen und Männern.
      Baumeister urteilt, dass Frauen nicht mit der Akkumulation von Macht und Einfluss mithalten konnten, aber enorm von dieser Entwicklung profitierten. Zugleich strebten Frauen auch nicht nach diesen Zielen. Heute gelten Frauen-Beziehungen als besser und als wünschenswerter. Auch Baumeister empfindet erklärtermaßen Frauen als besser Freunde, Bekannte und Gesprächspartner. Zugleich taugt der Typus der intensiven Beziehung nicht zum Aufbau großer sozialer Systeme.
    1. Männer sind ersetzbar. Männer sind kulturell weniger bedeutsam als Frauen. Ein Mann kann sich mit vielen Frauen fortpflanzen, was aber nur Ausnahmepersonen gelingt – vermutlich etwa in besonderem Ausmaß Dschingis Khan. Frauen sind (biologisch und demographisch) wertvoller. Dementsprechend hoch ist die Sterblichkeit von Männern, sei es im Krieg, beim Untergang der Titantic oder was die Folgen auf sich genommener Risiken betrifft.

Ausblick

Wohin führen uns diese Erkenntnisse? In seinem Ausblick stellt Baumeister zwei Thesen auf:

Erstens werde der Irrtum aufgedeckt werden, dass Männer Frauen unterdrückten und deshalb eine „bessere“ Stellung einnehmen würden. Die Menschen würden erkennen, dass die statistisch schlechtere Bezahlung das Ergebnis der Wahlentscheidungen von Frauen sei.

Zweitens wäre es möglich, dass gleiche Bezahlung mit weniger Arbeitszeit einherginge. Das mache die Unternehmen zwar weniger profitabel, würde aber die kulturelle Rolle der Frauen besonders wertschätzen.

Wichtiger scheint mir jedoch die Botschaft, dass Männer den Trick durchschauen sollten, sie müssten die Schuld für das schlechtere Abschneiden der Frauen auf sich nehmen.

Und die alles überragende Botschaft für beide Geschlechter steht auf der letzten Seite des Buches: „Vielleicht können wir eines Tages beide, Männer und Frauen, dafür wertschätzen, was sie tun, statt uns zu wünschen, dass sie etwas anderes tun würden. Männer und Frauen könnten einander danken.

Das herausragende Buch ist ein klarer Fall für lesen, denken, danken, außerdem diskutieren und sich freuen!

Roy F. Baumeister: Is there anything good about men? How cultures flourish by exploiting men, Oxford University Press 2010, 306 S., 23,09 Euro, kostenloses pdf.

Addendum: Wer die Seiten scheut und einen kurzen Artikel vorzieht, dem sei die Weltwoche empfohlen. Dort schrieb Philipp Gut am 9. April 2016 den Artikel „Geschlechter. Ideale Ergänzung“.