Fernsehgerätehandel in der BRD und den USA
Fernsehgerätehandel in der BRD und den USA

Fernsehgerätehandel in der BRD und den USA

Sebastian Teupe: Die Schaffung eines Marktes. Preispolitik, Wettbewerb und Fernsehgerätehandel in der BRD und den USA 1945-1985
(Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte Band 29). De Gruyter Oldenbourg, Berlin, Boston 2016, 433 S. (40 Graphiken, 28 Tabellen), 49,95 €.
Die Dissertation „Die Gesetze des Marktes“ wurde 2015 mit dem Preis für Unternehmensgeschichte ausgezeichnete. Der Titel der Verlagspublikation lautete 2016 „Die Schaffung eines Marktes“. Sebastian Teupe, Juniorprofessor an der Universität Bayreuth zeigt einerseits die spezifischen Eigenheiten und Muster des Markts für Fernsehgeräte im nationalen Vergleich der Bundesrepublik mit den USA in den vier Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf. Andererseits arbeitet er heraus, wie der Markt entstand und gestaltet wurde. Das gestelzt klingende Wort Schaffung im Titel ist symptomatisch für den eigentümlich konstruierten Theorieteil.
Die verdienstvolle Arbeit enthält eine Fülle von Graphiken, Tabellen und Abbildungen und untersucht in fünf Kapiteln 1. den Wandel der Fernsehgeräteindustrie mit Blick auf Produkt und Produzenten, 2. die Rolle des Groß- und Einzelhandels, 3. Fernsehgeräte als Konsumgüter im Wandel der Zeit, 4. das Verhältnis von Herstellern und Händlern in rechtlicher Perspektive und 5. Preispolitiken im Spannungsfeld von Konsumenten, Händlern und Regulierung. Die Darstellung ist kenntnis- und faktenreich.
Bemerkenswerterweise überwiegen die Ähnlichkeiten der beiden nationalen Märkte die Unterschiede. Das gilt für die staatlich begründete Entstehung der Märkte: „Die Entstehung einer Rundfunkindustrie im Allgemeinen und der Fernsehgeräteindustrie im Besonderen war ohne eine aktive Rolle des Staates nicht denkbar.“ (S. 393) Und es trifft für die (üblichen) Entwicklungsphasen zu: Boom, stetiges Wachstum, Stagnation und Strukturwandel. Auch die institutionellen Rahmenbedingungen für Hersteller und Händler ähnelten sich. Bestimmende Themen waren Preis- und Vertriebsbindung sowie Preisdiskriminierung. Allerdings zeichneten den amerikanischen Vertrieb regional strikt getrennte, zentrale Großhändler mit Markenbindung und engem Verhältnis zum jeweiligen Hersteller aus. Dementsprechend bedeutsam waren von Teupe eindringlich geschilderte Rechtsstreitigkeiten und der Wandel der Rechtsauffassung. In Westdeutschland galten die Großhändler, die konkurrierende Marken führten, hingegen als unkontrollierbar und die Marken für den Einzelhandel als weitgehend austauschbar. Vertriebs- und Preispolitik machten vielmehr den Unterschied aus. So waren in Deutschland auch angeschriebene Preise verhandelbar. Entsprechend findig waren die deutschen Konsumenten – entgegen dem landläufigen Bild. Die Innovation des Farbfernsehens bescherte Herstellern und Händlern wieder größere Gewinne. Der Zusammenbruch des Preislistensystems in den USA und der Preisbindung in der Bundesrepublik stellte gleichsam eine Zäsur dar. Letztlich gab es keine spezifisch amerikanische oder deutsche Handlungsweise der Marktakteure, konstatiert Teupe. Mit diesem antiinstitutionellen Urteil und dem Hinweis, dass Rationalität und Effizienz die Entwicklungen nicht erklären könnten, schließt die Arbeit.
Ein wesentliches Ziel der Arbeit wird zwar erreicht, nämlich aufzuzeigen, dass kein einheitlicher, zeitloser Markt für Fernsehgeräte existierte und, dass nicht der Markt, sondern die handelnden Menschen entschieden. Die von Teupe betonte Frontstellung zu rein ökonomischen Ansätzen wirkt indes konstruiert. So wendet sich der theoretische Teil selektiv gegen die (noch) vorherrschende Modell-Ökonomie, aber auch gegen institutionelle Erklärungen. Statt einer ökonomischen Wettbewerbstheorie soll eine neue Wirtschaftssoziologie mit einer problemorientierten Perspektive und handelnden Akteuren schlüssige Erklärungen liefern. Die Kritik mag reine Historiker oder reine Ökonomen treffen. Indes gilt das Diktum von Friedrich August von Hayek, der 1956 schrieb: „… gewiß kann niemand ein großer Ökonom sein, der nur Ökonom ist – und ich bin sogar versucht hinzuzufügen, daß der Ökonom, der nur Ökonom ist, leicht zum Ärgernis, wenn nicht gar zu einer regelrechten Gefahr wird.“ Die angebotene alternative Theorie fällt hinter die Erkenntnisse der Österreichischen Schule der Ökonomik mit dem Markt als Koordinationsverfahren und dem Homo Agens sowie hinter solide betriebswirtschaftliche Kenntnisse in Strategie, Organisation und Marketing zurück. Die wirtschaftshistorische Untersuchung überzeugt indes.
 
Michael von Prollius
Berlin
Quelle: erscheint in VSWG – Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.