Fair – ein politisches Wieselwort
Fair – ein politisches Wieselwort

Fair – ein politisches Wieselwort

Das englische Wort fair bedeutet anständig und ordentlich. Im Spiel bezeichnet fair ein Verhalten, das im Einklang mit den Spielregeln steht – man hat sich an die Regeln gehalten. Damit wurde der Gerechtigkeit genüge getan und der Anstand gewahrt.
Fairness wird insbesondere dann gewürdigt, wenn die Regeln unter erschwerten Bedingungen eingehalten wurden. Beispielsweise liegt ein Tennisspieler zurück und bekommt einen Punkt zugesprochen, weil der gegnerische Ball im Aus gewesen sein soll. Doch der begünstigte Spieler kreist auf dem Ascheplatz den Abdruck ein und weist darauf hin, dass der Ball im Feld war.
Interessanterweise gibt es im Englischen mindestens zwei Arten des Gebrauchs von fair. Erstens wird Zustimmung und Anerkennung geäußert. „A fair woman“ ist eine hübsche Frau. „Fair play“ bedeutet die Anerkennung eines regelkonform verlaufenen Spiels. „Fair statement“ meint, die relevanten Fakten wurden berücksichtigt. Durchweg beziehen sich Zustimmung und Anerkennung n i c h t auf das Ergebnis, sondern den Verlauf.
Zweitens werden Kompromisse und Beschwichtigungen damit eingeleitet. „Fair enough“ heißt weder gut noch schlecht, dennoch zufriedenstellend. „Fair settlement“ beendet einen Konflikt, bei dem beide Seiten nachgegeben haben. „Fair try“ ist weder Erfolg noch Fehlschlag, sondern ehrliches Bemühen. Und „fair criticism“ meint schließlich eine valide begründete, aber nicht zerstörerische Kritik.
Durchweg wird mit fair eine Bewertung für das Handeln abgegeben.
Problematisch wird es, wenn fair als Bewertung von Ergebnissen eines Verteilungsprozesses, also nicht des Prozesses selbst, sondern des Verteilungsendzustands verwendet wird. Statt Regelkonformität und anständigem Verhalten wird nun die Gleich- und Ungleichverteilung mit einem dafür nicht passenden Adjektiv belegt.
Gleich hat aber nichts mit fair zu tun. Und ungleich bedeutet nicht unfair. Das Ergebnis eines Spiels ist niemals fair oder unfair. Auch die ungleichen Voraussetzungen zweier Mannschaften oder zweier Spielen sind keine Frage der Fairness. Die sportliche Übermacht des FC Bayern hat nichts mit Fairness zu tun. Steffi Graf war 377 Wochen die Nummer 1 der Weltrangliste. Das kann man gut oder schlecht finden, aber ihre Ausnahmestellung hatte ebenfalls nichts mit Fairness zu tun.
Wer das Wort fair für etwas anderes benutzt als es bedeutet, verwandelt das Wort entweder in ein Wieselwort – die Hülle bleibt, der Inhalt wird ausgesogen – oder betreibt orwellschen Missbrauch: „Freiheit ist Sklaverei“.