Eine Bedrohung, zwei Erscheinungsformen: linke und rechte Gewalt
Eine Bedrohung, zwei Erscheinungsformen: linke und rechte Gewalt

Eine Bedrohung, zwei Erscheinungsformen: linke und rechte Gewalt

Die Geschichte ist bekanntlich die beste Lehrmeisterin, zuweilen allerdings mit den schlechtesten Schülern – vielleicht sind sie auch nur ein wenig vergesslichen. Angesichts der heute überbordenden linken Gewalt, die es nicht geben soll, darf, kann, weil das Böse nur von rechts kommen soll, darf, kann lohnt sich ein Blick in die Geschichte.

Vor gut zehn Jahren haben die beiden Historiker Jörg Baberowski und Anselm Doering-Manteuffel die Gewaltexzesse und die Vernichtung in einem rechten und einem linken Imperium verglichen. Auf nur 116 Seiten wird deutlich, was es heißt, wenn eine Gesellschaft nach einer Ideologie organisiert wird und dazu Gewalt als Mittel erster Wahl genutzt wird.
In acht Kapiteln werden die furchtbaren Konsequenzen der beiden „manichäischen“ Erlösungsideologien deutlich mit ihren „Säuberungen“, Stigmatisierungen und Vernichtungen von vermeintlichen Feinden, um ethnische und rassische Eindeutigkeit herzustellen.

Sehr klar werden in „Ordnung durch Terror“ die historischen Wurzeln der beiden Totalitarismen aufgezeigt, darunter die Gewalterfahrungen des Ersten Weltkriegs. Die anschließenden Bürgerkriegseinsätze der Freikorps waren ein Vorspiel der Praxis von Einsatzgruppen im Zweiten Weltkrieg. Währenddessen führte die Brutalität des russischen Bürgerkriegs zu ersten Progromen und Vertreibungen im großen Stil.

Die Logik der Bolschewiki war gleichermaßen abstrus wie pervers: Zunächst galt der Nationalstaat statt Vielvölkerreichen als die Organisationsform der modernen Industriegesellschaft. Folglich wurden Ethnien und Stämme zu Nationen umgedeutet, um wenig später Nationalismus und Sozialismus gegen einander auszuspielen. Ein grenzenloses, später paranoides Freund-Feind-Schema nahm Formen an – Obsessionen wurden bald zu Wahnvorstellungen als das Regime Anfang 1930 am Abgrund stand.

Bezeichnenderweise wies der „kulturelle Rassismus“ kaum Unterschiede zum späteren nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzug auf. Ein industrieller Massenmord blieb vermutlich nur aus, weil neue Räume der Ambivalenz in Asien entstanden.

Im rassischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten entstanden die rechtsfreien Räume, vor allem in den eroberten Gebieten, in der sich die entgrenzte Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ihre Bahn brechen konnte: „Der Krieg schuf den räumlich, konzeptionell und moralisch völlig offenen Handlungsraum, den sich die SS-Führer in ihrer geschichtsfernen völkisch-rassischen Ideologie zurechtgedacht hatten.“ Die Wehrmacht akzeptierte dies zunächst stillschweigend, bald gehörte die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zur internalisierten Kriegsführung.
Einige Lehren kurzgefasst:

  1. Gewalt braucht nur eine Gelegenheit und entlädt sich besonders ungehemmt, wenn dazu ermuntert wird.
  2. Linke und rechte Gewalt können eleminatorischen Charakter annehmen – beide Ideologien stellen Kollektivismen über das Individuum.
  3. Linker und rechter Extremismus ist mit einer offenen, pluralistischen Gesellschaft unvereinbar – beide Strömungen wollen die Welt nach Ihren Ideologien organisieren und beherrschen.