Alternativen zum herrschenden Geldsystem
Alternativen zum herrschenden Geldsystem

Alternativen zum herrschenden Geldsystem

Ottmar Schneck und Felix Buchbinder: Eine Welt ohne Geld. Alternativen zum bisherigen Geldsystem, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz und München 2015, 256 S., 19,99 Euro.
Der Titel „Eine Welt ohne Geld“ macht stutzig. Zuviel Geld in der Welt hat zur Finanz- und Staatsschuldenkrise geführt. Wenn Euro, Yen und Dollar verbrannt werden, wie auf dem Cover abgebildet, dann trifft das zunächst primär die Finanzindustrie, weniger die Realwirtschaft. Allerdings geht es nicht ohne Geld, wenn wir nicht in eine primitive Tauschwirtschaft zurückfallen wollen. Die Funktion und den Nutzen von Geld erklären die beiden Autoren der ESB Business School der Hochschule Reutlingen Ottmar Schneck und Felix Buchbinder. Die Hälfte des kompakten Bandes informiert den Leser über alle wichtigen Aspekte unseres Geldsystems. Für Jedermann verständlich geschrieben, erleichtern hilfreiche Kernaussagen, die als Einschübe in den Text kenntlich gemacht sind, eine schnelle Orientierung. Behandelt werden u.a. die Geschichte des heutigen Fiatgeldsystems, Geldmenge, Geldschöpfung und Geldvermehrung, ferner Inflation und Vermögensumverteilung. Zuvor werden anhand das Robinson Crusoe Beispiel und auf der Grundlage der Österreichischen Konjunkturtheorie das geldbedingte Auf und Ab der Wirtschaft erläutert. Kritisch erwähnt werden sollte, dass eine Teilreserve nur in einem Zentralbanksystem ohne Wettbewerb problematisch ist, zuvor eine banktechnisch wichtige Innovation darstellte.
Der zweite Teil des Buches behandelt unter der Überschrift „Ein Blick über den Tellerrand“ Alternativen zum bisherigen Geldsystem – passend zum zweiten Teil des Buchtitels. Diese kompakte Information über eine Vielzahl existierender und historischer Geldangebote ist hilfreich: erstens als Beleg für existierende Alternativen zum weltweit vorherrschenden Staatsmonopol, zweitens als Hinweis auf die Defizite vieler Geldexperimente und die Vorzüge einiger weniger echter Alternativen sowie drittens die Erkenntnis, dass es bisher keinen Ersatz für Geld gibt und auch nicht geben kann. Zu diesen Überlegungen kann man gelangen, wenn man die Beiträge zu den Rubriken Systemoptimierungen, Systemergänzungen und Systemrevolution gelesen hat. Zu den Optimierungen zählen die Autoren Irving Fishers Vollgeld, das Geldschöpfung allein der Zentralbank oder einer neuen Institution, der Monetative, zubilligt. Hier wäre eine Ergänzung um die tief greifende Kritik angebracht, wie sie etwa Peter Bernholz formuliert hat. Weiterhin werden sehr unterschiedliche Ressourcen gedeckte Währungen behandelt, die durch eine Hinterlegung mit realen Gütern das Problem eines ungebremsten Geldmengenwachstums sollen. Allerdings werden auch völlig andere Ziele verfolgt, etwa ökologische oder Wachstum bremsende. Hier zeigt sich erstmals eine noch mehrfach auftretende missbräuchliche Geldkonzeption, wenn die Autoren auch mit Kritik (generell) eher zurückhaltend sind. Erwähnt sei auch, dass Warenkörbe selbst problembehaftet sind, weil sie eine instabile Referenz darstellen und Teil des veränderlichen Preisgefüges sind. Der Bancor Plan von Keynes sollte den internationalen Goldstandard nach dem Zweiten Weltkrieg in veränderter Form ablösen. Ergänzt sei, dass Benn Steil in seiner maßgeblichen Darstellung „The Battle of Bretton Woods: John Maynard Keynes, Harry Dexter White, and the Making of a New World Order“ dessen Scheitern aus machtpolitischen Gründen schildert. Nicht fehlen darf Silivio Gesells Schwundgeld, das auf eine höhere Umlaufgeschwindigkeit abzielte. Das missverständliche Horten darf schärfer kritisiert werden, zumal der Wechsel des Geldes von Hand zu Hand keinen Wohlstand schafft. Auch hier müsste es um die Übereinstimmung von Geldangebot und Nachfrage gehen, nicht um die Manipulation einer Variable der Quantitätsgleichung. Geschildert wird in einem Exkurs schließlich die sozialpolitische Umverteilungsidee des bedingungslosen Grundeinkommens, das allerdings richtigerweise keine Währung sein kann.
Unter Systemergänzungen werden vor allem regionale, kommunale und lokale Geld- und Tauschsystem behandelt, die zusätzlich zur staatlichen Währung Verwendung finden. Ziel ist zumeist die örtliche Wirtschaftsförderung, deren Ursprünge häufig in einer Krisenüberwindung liegen. Auch Punktesysteme, digitale Währungen und im Exkurs die Zahlungsweise per Handy werden behandelt. Auch hier ließen sich kritische Anmerkungen zu den entscheidenden konzeptionellen Defiziten von Bitcoin ergänzen, etwa die mangelnde Anpassungsfähigkeit an eine veränderliche Geldnachfrage.
Als Systemrevolution wird schließlich Free Banking betrachtet; in einem Exkurs noch die Ecology of Money Bewegung, die für Zahlungsmittelvielfalt eintritt. Geldfreiheit mutet als Ablösung des herrschenden Geldsystems zwar revolutionär an, wäre indes eine Rückkehr zur vielfach bewährten Praxis. Das gilt umso mehr als Free Banking weitaus erfolgreicher war, anders als die vergleichsweise bedeutungslosen Systemergänzungen, da es etwa in ganz Kanada, Schweden oder der Schweiz gebräuchlich war. Die Geldmenge von Bitcoin oder Regionalwährungen beträgt nur einen Bruchteil des Umsatzes von einem einzigen Großunternehmen.
Im Fazit löst sich das Geheimnis um den Titel auf: „Stellt eine Welt ohne Fiatgeld überhaupt eine praktikable Lösung dar?“ Das ist die Leitidee der Autoren, die die Augen für die Vielfalt neben dem Monopol öffnen. Das ist ein Verdienst und lesenswert.
Michael von Prollius