Populismus – eine Gefahr für die Freiheit
Populismus – eine Gefahr für die Freiheit

Populismus – eine Gefahr für die Freiheit

Es geht ein Gespenst um in Europa. Starke Männer und Frauen nutzen zusammen mit ihren Parteien und Bewegungen die Schwäche des politischen Personals und der politischen Institutionen aus. Solange sie eine demokratische Alternative darstellen, ist das kein Problem, sondern im Sinne eines politischen Wettbewerbs begrüßenswert. Allerdings birgt der Populismus erhebliche Gefahren.

Populisten gerieren sich als alleinige Vertreter eines diffusen Volkswillens. Den Willen eines Kollektivs gibt es nicht und bereits das Kollektiv ist keins. Zusammen mit der Frontstellung – hier die Volksvertreter, dort das gegen das Volk handelnde Establishment – wird ein Prozess entfesselt, der seinen Fluchtpunkt in der Usurpation des politischen Systems und seiner Umgestaltung zur dauerhaften Machtsicherung der Populisten findet.
Populisten sind nicht nur antidemokratisch, sie sind vor allem antipluralistisch. Das ist eine wesentliche Erkenntnis, die der in Princeton lehrende Politologe

Jan-Werner Müller in seinem lesenswerten Essay herausarbeitet. Wilders, Orban, Le Penn, Kaczynski, Trump, Morales, Correa, Chavez, Pegida, Teile der AfD und andere treten bzw. traten mit einem Alleinvertretungsanspruch auf, der moralisch aufgeladen ist. Was sie nicht sagen ist: Wir sind a u c h das Volk. Was sie behaupten ist: Nur wir sind die legitimen Volksvertreter. Alles, was dieser Behauptung entgegensteht, lehnen sie ab. Folglich geraten sie mit den Institutionen in Konflikt, die sie erobern und umbauen wollen. Das ist das eigentlich Gespenstische. Dazu gehört auch die undurchsichtige, nebelhafte Vermischung Gebotenem und Gefährlichem: tatsächlich notwendige Verbesserungen des politischen Angebots (Personal und Parteien) und mit Bedacht anzupassende Institutionen sowie vermeintlich einfache, emotional ansprechende Maßnahmen und eine Zersetzung des politischen Prozesses, in dem kein Platz mehr für neben einander existierende, divergierende Ansichten und Präferenzen ist.

Ich habe Jan-Werner Müllers Essay mit Gewinn, aber auch mit Skepsis und Kopfschütteln gelesen. Der Gewinn ergibt sich aus dem Nachdenken über das Gelesene und aus der differenzierten Analyse des Phänomens Populismus. Die antipluralistische These besitzt argumentative Kraft. Mir gefällt die Sicht auf die Demokratie als Prozess und als Ordnung, die unzureichend ist und dennoch ungemein integrationsfähig ist. Skeptisch bin ich, was den empfohlenen Umgang mit Populisten betrifft. Der letzte Teil des Buches ist schwach und bleibt vage. Das liegt m. E. an der unvollständigen Diagnose. Die Populisten anhängenden Menschen werden nicht von Globalisierungs- und Komplexitätsfolgen getrieben, sind nicht verunsichert, sondern sauer. Mir fehlt ein dezidierter Hinweis auf die schlechte politische Arbeit, die schlechten institutionellen Weichenstellungen in Europa, das wiederholte Regieren gegen Mehrheitsentscheidungen, krasse ökonomische Fehlentscheidungen im Dienste politischer Ziele (Euro-Misere). Die Krise des Establishments ist echt.

Mein These ist: Das Ausufern der politischen Zuständigkeit geht mit Staatsversagen einher und bringt berechtigten Protest hervor, der leider nur von qualitativ gleich schlechten oder bizarren Kräften und Personen genutzt wird. Es ist Zeit den Menschen wieder mehr Selbstverantwortung zu geben. Weniger Politik, mehr Freiheit und Gerechtigkeit wagen!

Michael von Prollius

Literatur: Jan-Werner Müller: Was ist Populismus? Ein Essay, Suhrkamp Verlag, Berlin 2016, 161 S., 15,00 Euro.