Irrglaube skandinavischer Wohlfahrtsstaat
Irrglaube skandinavischer Wohlfahrtsstaat

Irrglaube skandinavischer Wohlfahrtsstaat

Irrglaube skandinavischer Wohlfahrtsstaat

Der skandinavische Wohlfahrtsstaat ist en vogue: „Volksheim“, schwedisches oder nordisches Modell, Kennzeichen große Gleichheit, zugleich Gegenmodell zum angefeindeten Neoliberalismus, in den USA von Bernie Sanders als Erfolgsmodell für die USA gepriesen – unter dem Begriff skandinavischer demokratischer Sozialismus.

Diese Vorstellungen haben allesamt eines gemeinsam: Es handelt sich um einen Irrglauben. Kristian Niemitz hat letztes Jahr beim Prometheus Institut mit Blick auf die Nettosozialausgaben gezeigt, dass die skandinavischen Länder im europäischen Durchschnitt liegen, noch hinter Deutschland und weit hinter Frankreich sowie Belgien, aber auch Italien und Spanien die über die überproportioniertesten Wohlfahrtsstaaten verfügen. Bereits 2007 urteilte Daniel Schrödl in seiner historischen Einordnung des Schwedischen Wohlfahrtsstaates: „Anfang der 1990er Jahre kam es zu einer Wende: Innerhalb der Gesellschaft schwand die Zustimmung zur starken Umverteilung.“ Und anschließend: „Die immer weiter gehende Nivellierung der Einkommen, die Vergesellschaftung weiter Teile des Alltagslebens und die Standardisierung der staatlichen Fürsorge wurden von vielen Schweden zunehmend als Last und Einengung des persönlichen Spielraums empfunden.“

Nun hat sich Nima Sanandaji, ein in Schweden lebender iranischer Kurde, daran gemacht, das falsche Verständnis vom Nordischen Modell zu korrigieren. Historische Perspektiven spielen auch hier eine Rolle. Bis in die 1960er Jahre seien die Steuern in Dänemark niedriger als in den USA gewesen und die Dänen hätten durchschnittlich 2,4 Jahre länger gelebt, wohl gemerkt: bevor der dänische Wohlfahrtsstaat geschaffen wurde. Die Lage sei in Norwegen und Schweden ähnlich gewesen.

In seinem Beitrag für Foreign Affairs urteilt Nima Sanandaji daher: „Der positive Einfluss des Wohlfahrtsstaates auf das allgemeine Wohlergehen werde .. übertrieben. Tatsächlich sei die Wohlfahrt in den nordischen Ländern schneller in Zeiten ökonomischer Freiheit gestiegen als während der des demokratischen Sozialismus.“ Bereits von 1870 bis 1936 habe Schweden eine marktwirtschaftsfreundliche Wirtschaftspolitik verfolgt und sei mit dem höchsten jährlichen Wachstum in Westeuropa belohnt worden. Der Schutz der Eigentumsrechte und wirtschaftliche Freiheit sei bereits unter Wirtschaftsminister Johan August Gripenstedt (1856-1866) vorangetrieben worden. Unter den Sozialdemokraten entwickelte sich Schweden von 1936 bis 1970 durchschnittlich, in der Ära des Wohlfahrtsstaats von 1970 bis 1991 verzeichnete Schweden das zweitschlechteste Wachstum Europas. Anschließende marktwirtschaftliche Reformen, ein Abbau des Wohlfahrtsstaates und Steuersenkungen führten Schweden wieder an die Wachstumsspitze Europas, nach Großbritannien.

Skandinavien war schon lange vor dem Wohlfahrtsstaat die egalitärste Region Europas. Sowohl voll ausgeprägter Feudalismus als auch Bauern in Leibeigenschaft gab es nicht. Kulturelle Gründe spielten dafür eine zentrale Rolle. Der schwedische Forscher Assar Lindbeck arbeitete etwa heraus, dass harte Arbeit, individuelle Verantwortung, Ehrlichkeit, Vertrauen, Pünktlichkeit und Nachbarschaftshilfe Voraussetzungen für das Überleben in den rauen skandinavischen Ländern waren. Der Wohlfahrtsstaat wurde folglich bereits wohlhabenden und gleichen Gesellschaften aufgepfropft. Bemerkenswerterweise sind heute die Nachfahren der skandinavischen Emigranten in den USA wohlhabender als ihre „Verwandten“ in ihren Heimatländern – das BIP pro Kopf dänischer Amerikaner beträgt über 70.000 USD, das der Dänen 45.500 USD.

Im Einklang mit Dierdre McCloskys facettenreiches Plädoyer für bürgerliche Tugenden als Ursache für Wohlfahrt (Bourgeois Dignity und Bourgois Equality) führt Nima Sanandaji individuelle Normen und Werte als Gründe für den skandinavischen Erfolg an – und gerade nicht den Wohlfahrtsstaat. Im Gegenteil zeigten Studien vermehrt dessen destruktive Auswirkung auf die Arbeitsethik in Dänemark, den Krankenstand in Schweden und die Generationen übergreifenden Folgen, wenn großzügig ein Invaliditätsstatus in Norwegen gewährt wird.
Kurz gesagt: Wer für Wohlfahrt und Wachstum plädiert, sollte vom Wohlfahrtsstaat schweigen.